Industrie 4.0: Von bösen Monstern mit langen Armen (Teil 3)

Industrie 4.0: Von bösen Monstern mit langen Armen (Teil 2)
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Im dritten und letzten Teil unserer kleinen Serie Industrie 4.0. befassen wir uns mit den Aussichten für den Arbeitsmarkt. Oder, um es weniger abstrakt auszudrücken: mit den Menschen, die von ihrer Arbeit leben wollen und müssen. Für eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen bringen die Veränderungen von Industrie 4.0 Ängste mit sich. Berechtigt sind diese zwar nur zum Teil, doch ernst genommen werden müssen sie auf jeden Fall.

 

Alles steht und fällt mit der Qualifikation

In den letzten rund 250 Jahren kam es zu zahlreichen Entwicklungen, allen voran sei der Übergang von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung genannt. Die Folgen sahen jedoch immer ähnlich aus. Auf der einen Seite vielen zahlreiche Jobs weg bzw. verschwanden von der Bildfläche. Auf der anderen Seite entstanden neue Tätigkeitsbereiche, die sich bis hin zu hochqualifizierten Fachberufen entwickeln konnten. So gesehen könnte man meinen, dass das, was wir derzeit erleben, eine Wiederholung dessen ist, was wir bereits kennen. Doch ein wenig anders stellt sich die Situation dennoch dar.

Denn während in vergangenen Entwicklungen eine Verlagerung von Tätigkeiten stattfand, erleben wir heute ein neues Phänomen. Selbstlernende Computer, Roboter und die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz sorgen dafür, dass für bestimmte Arbeiten überhaupt keine Menschen mehr notwendig sind. Denken wir an die im zweiten Teil unserer Serie genannte Fabrikhalle, die komplett ohne Menschen auskommt, könnte einem Arbeiter schon angst und bange werden. Und damit sind wir auch schon bei den Arbeitsbereichen, die künftig gefährdet sein können (und vermutlich auch sein werden).

Gerade Tätigkeiten mit einer einfachen Aufgabenstellung können schon heute und werden zukünftig erst recht von Computern bzw. Robotern übernommen werden. Für Ungelernte oder Aushilfskräfte können also in Zukunft viele Jobs wegfallen. Gesellschaftlich ist dieses Problem letztlich nur lösbar, wenn vermehrt in Bildung und Ausbildung investiert wird. Denn je mehr hochqualifizierte Fachkräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, desto geringer die Gefahr, dass eine hohe Arbeitslosigkeit entsteht. Hier kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu, auf den weiter unten eingegangen wird.

 

Wer „dran glauben“ muss …

Butter bei die Fische: Wer wird denn nun faktisch von der Industrie 4.0 betroffen sein? Das präzise vorherzusagen, wäre nicht seriös, denn niemand verfügt über die einzig wahre Glaskugel, in der sich die Zukunft ablesen lässt (wer etwas anderes behauptet, sollte mit äußerster Vorsicht genossen werden). Allerdings lässt sich eine Tendenz aufzeichnen, die Bill Gates schon im Jahre 1994 erkannt hat. Er sagte damals: „Banking is necessary, banks are not.” Und bewies mit dieser These, dass er durchaus ein Gespür für die Zukunft hat, was nicht verwundern kann bei all dem, was der Mann auf die Beine gestellt hat. Frei übersetzt bedeutet Gates‘ Satz, dass Bankgeschäfte unverzichtbar sind, Banken dagegen nicht. Was wir erleben, bestätigt ihn, denn die klassische Bankfiliale ist schon heute ein Auslaufmodell, in gar nicht allzu langer Zeit wird sie wohl völlig verschwunden sein.

Und wer kauft die Produkte, wenn die Maschinen arbeiten?

Eine der drängendsten Fragen im Zusammenhang mit Industrie 4.0, der Automatisierung, Künstlicher Intelligenz und Robotern ist eine sehr wesentliche: Wie funktioniert ein Wirtschaftssystem, wenn nur noch eine übersichtliche Zahl von Menschen tatsächlich arbeitet? Und wie geht man damit um, wenn ein Großteil der Menschen gar nicht mehr arbeiten muss?

Diese Frage ist bedeutsam, denn die zunehmende Automatisierung führt zu einer steigenden Produktivität. Das ist an sich durchaus schön, Produktionsprozesse können effizienter ausgestaltet werden, die höhere Produktivität erhöht den Wohlstand. Allerdings: Wohlstand muss man sich leisten können. Und wenn wir einmal tollkühn annehmen, dass – als ein Beispiel ohne Anspruch auf den Realitätsgehalt – in 10 Jahren nur noch 50 Prozent der Menschen arbeiten müssen, steht die Frage im Raum: Was ist mit den anderen 50 Prozent? Landen diese in der Gosse, unter Brücken oder in Wohnheimen? Das würde nicht funktionieren, denn eine hohe Produktivität funktioniert nur, wenn der Binnenmarkt entsprechend stark ist. Der im Moment noch ausgeprägte Exportschwerpunkt wird auf Dauer wegen des Ungleichgewichtes zu anderen Ländern sowieso nicht funktionieren, also muss der Binnenmarkt das richten.

 

Denkbar wäre in der Tat ein Grundeinkommen. Ob es bedingungslos ist, wie heute viele Befürworter fordern, sei dahingestellt. Aber selbst an Bedingungen geknüpft könnte ein solches Grundeinkommen die Einkommenskraft der Menschen so weit stärken, dass die Wirtschaft darunter nicht leidet, im Gegenteil.

 

Wir jetzt alles gut?

Wir sprachen ja bereits über die Glaskugel. Das gilt natürlich auch für einen Ausblick in die Zukunft. Letztlich ist die Frage, ob dieser Ausblick positiv oder negativ ausfällt, keine Frage im Zusammenhang mit Robotern oder Computern. Es ist vielmehr eine Frage, was der Mensch daraus macht. Die technischen Möglichkeiten, die wir heute, morgen und erst recht übermorgen haben, können zu einem Größtmaß an Komfort und Zufriedenheit führen, und zwar bei dem überwiegenden Teil der Menschen.

Spannend ist also weniger die Entwicklung von Maschinen, Robotern und Computern. Sondern die der Menschen, die daraus das Beste machen können. Wenn sie denn wollen.

Thomas Lau ist Versicherungs- und Finanzexperte mit dem Schwerpunkt strategische Vermögensplanung und Altersvorsorgeberatung. Als Berater in privaten und betrieblichen Vermögensfragen betreut er seit mehr als 30 Jahren zahlreiche Unternehmer und Privatpersonen.Tel. 0241-9900170 | E-Mail: welt@aixpertio.de | Über den Autor »
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